Laufe ich mit der Zeit oder läuft die Zeit mit mir?

Was für eine Frage! Die Antworten könnten Stunden füllen, ich hab keine Stunden, ich habe keine Zeit, warum? Ich habe ein großes Pensum zu bewältigen, was mich täglich fordert.
Ganz genau so tickt mein Leben seit vielen Jahren, „selbst“ und „ständig“ – eben Selbständig. Es ist ein schönes Leben, weil es mir unheimlich viel Freiheit gibt. Diese Freiheit ist allerdings kein Geschenk, tue ich heute nichts, dann kommt auch morgen nichts und ohne NICHTS lässt sich schwer leben.

So hatte ich mir das vor 15 Jahren nicht vorgestellt und ich wurde gelegentlich eines Besseren belehrt. Da hast du eine Idee und hast eine Vision, du willst diese Vision zum Leben erwecken und dann triffst du auf Mauern, manchmal sind diese Mauern einfach nicht zu überwinden. Was habe ich dann getan? Ich habe mich vor diese Mauer gestellt, sie angeschaut und mich gefragt, ob es Sinn macht etwas zu tun, damit sie verschwindet. Ich habe gelernt, dass eine Mauer groß und mächtig sein kann, damit muss sie aber nicht unüberwindbar sein. Wenn du sie Ziegel für Ziegel abbaust, dann wird sie kleiner und kleiner und irgendwann bleibt nichts mehr von ihr übrig. Ein großer Hammer würde es vielleicht auch tun, aber ich bevorzuge persönlich den Weg der kleinen Schritte.

Wenn ich heute noch einmal die Wahl hätte, dann würde ich immer sagen „JA“! Auch wenn mein Tag oft die 24 Stunden beansprucht, dann mach ich das gern. Sitze ich auf dem Motorrad dann fühle ich mich frei und bin glücklich, allerdings nur wenn ich auch wirklich  „fahren“ kann, will sagen ich „fahre“ gern aber ich „wandere“ nicht gern. Ich hoffe die Motorradfahrer werden nicht weniger, die lieber „fahren“ als „wandern“.

Mittlerweile habe ich mein Rezept gefunden, dem alltäglichen Stress entgegen zu wirken. Es ist wie im Film „Forrest Gump“, du läufst und läufst und findest deinen Rhythmus. Du fühlst dich gut und denkst an nichts anderes als dein Ziel für den Tag zu erreichen.
Nach jeder Tour, wenn wir im Hotel angekommen sind und die Zeit dafür bleibt, ziehe ich mich um und beginne zu laufen. Es ist meine persönliche „Auszeit“, da konzentriere ich mich nur auf den Weg und lausche der Musik in meinen Ohren. Das macht Spaß und ich bin mittlerweile unzählige Kilometer gelaufen, ich habe keine Ahnung wie viele es mittlerweile sind. Woran ich mich jedoch erinnere ist jeder Kilometer, den ich gelaufen bin und damit verbunden auch die Gegend in der ich gelaufen bin.

Es hat angefangen in März in Almeria. Wenn du mit etwas Neuem beginnst, dann fällt es dir ganz oft sehr schwer und ich möchte hier keine Worte darüber verlieren, wie es sich angefühlt hat, das erste Mal im Leben seinen eigenen Körper auf schnellem Wege mit Ausdauer vorwärts zu bewegen.
Es war nicht immer einfach, es war oft anstrengend aber es hat nie wehgetan. Es war der Ansporn für mich weiter zu laufen und JA ich lief weiter!

Nach Almeria folgte Nerja und danach Fuengirola, westlich von Malaga gelegen und unser Basishotel für die Tour Andalusien inkl. Mietmotorrad. Diese Stadt hat eine wunderbare Strandpromenade, wo ich nicht allein war als Jogger. Auch wenn mein Kopf in dieser Zeit abschaltet (vom Alltag), so nehme ich dennoch meine Umwelt wahr und registriere sehr genau, was um mich herum geschieht. Mein Fazit: Joggen ist definitiv kein Freizeitvergnügen, wo du möglicherweise einen netten Kontakt kennenlernst. Also nix für Leute, die auf der Suche nach einem Date sind, schade eigentlich 🙁
Wieso ich darauf komme? Erfahrungswerte! Kommt dir ein Jogger entgegen gelaufen (egal ob 🙂 oder 🙁 ) MANN schaut einfach weg, so als ob FRAU grad nicht existent wäre. Oha so ist das also, noch nicht einmal ein charmantes Lächeln oder Kopfnicken, naja habe ich verstanden und dennoch lächle ich jeden Jogger/ jede Joggerin weiterhin an, auch wenn er/sie mich  gar nicht anschaut. Ist doch egal, ich laufe und mir geht’s gut dabei.

Lasst mich kurz zurückkommen zu der Aussage, dass ich meine Umwelt wahrnehme. Bei all dieser Lauferei entlang der Strandpromenade fiel mir ein alter Mann auf, sein Äußeres zeigte eindeutig, dass er nicht zu den Menschen zählte, denen es finanziell gut geht. Sein Platz war jeden Abend an einer kleinen Brücke, still, unscheinbar und zurück gezogen, ein kleiner Hut lag vor ihm. Ich bin sicher einige Male an ihm vorbei gelaufen, habe ihn registriert aber nie wirklich wahrgenommen. Ich habe ihn erst wirklich wahrgenommen als ich mich ihm in gewohnter Weise an einem Abend näherte. Er saß da wie immer auf dem warmen Asphalt der Promenade, in sich zurück gezogen und packte gerade ein Butterbrot aus, eingepackt in Papier, er hatte zu tun, dieses Brot zu essen, er war alt und gebrechlich, ich sah in sein Gesicht und sah seine Augen, die so unendlich traurig waren und ich habe etwas gesehen, was mir in dem Moment das Herz zerrissen hat. Er hat nie einen Passanten angebettelt, er hat immer nur an dieser Stelle gesessen und er hatte einen Hut vor sich liegen, ein Hut verbunden mit der Hoffnung, dass die Menschen, die an ihm  vorbei laufen vielleicht einen Euro in diesen Hut legen.

Ich habe ihn wahrgenommen und seitdem war er in meinem Kopf. Was hat er wohl erlebt und was könnte er für Geschichten erzählen? Warum lebt er heute so, wie er gerade lebt? Ich werde nie eine Antwort darauf bekommen und ich hatte plötzlich den Drang danach ihm ein wenig zu helfen.  Es war der letzte Tag dieser Reise und mein letzter Tag um hier zu laufen. Für diesen Lauf hatte ich nur einen Wunsch, lass diesen alten Mann wieder dort sitzen und  tu ihm etwas Gutes. Ich steckte mir 10 Euro ein und lief los. Ich lief und mein Ziel für heute war eigentlich nicht der Lauf, es war nur diese kleine Brücke um diesen alten Mann wieder zu sehen. Wird er auch heute wieder da sein? Was wenn nicht? Bist du dann einfach mal zu spät? Ja, er war da, wie immer saß er einfach nur da, schaute keinem Passanten ins Gesicht und sprach auch niemanden an! Ich sah ihn schon von weitem, mein Lauf stoppte und ich freute mich ihn da so zu sehen.  Ihr mögt das vielleicht dumm finden, aber ich freute mich einfach nur, dass er da war. Ich war mir nicht sicher, wie ich mich verhalten sollte. Dieser Mann war für mich nicht der „Bettler“ der wie bei mir zu Hause vor jedem Supermarkt hockt. Er war ein stückweit mein Meilenstein geworden, er hat nichts getan, er war nur anwesend und diese ruhige und vor allem unaufdringliche Anwesenheit war für mich als guter Beobachter ausreichend genug, ich habe gesehen, dass er in Not ist und ich wollte einfach nur ein kleines Stück helfen.

Was ich getan habe? Ich war mir nicht sicher, ob es der richtige Weg war. Ich kaufte im Kiosk gegenüber eine gekühlte Dose Bier (ich dachte einfach, dass es ihm schmecken könnte). Mit dieser Dose Bier und dem Restgeld der 10 Euro ging ich zu ihm. Wie immer saß er so da, ich hockte mich nieder und sein stets gesenkter Blick schaute mich plötzlich an, ich sah in traurige Augen und es zerriss mir fast das Herz.  Ich sprach in auf Spanisch an, sagte ihm, dass ich nicht wirklich helfen kann aber gern eine kleine Hilfe hinterlassen möchte. Ich drückte ihm die Dose Bier in die Hand und das Geld. Seine Antwort war kurz und knapp aber sie war eindeutig. Er sagte „Thank you for Helpness“ auf Deutsch „Danke für die Hilfe“.
Heute Monate später denke ich noch immer an den alten Mann und vielleicht sehen wir uns wieder im September, dann bin ich wieder vor Ort.

Nach Andalusien folgte Sardinien – im Norden der Insel joggte ich durch die Berge, bergauf und bergab, das Schlimmste dabei war der Gegenwind bergauf und der Rückenwind bergab – braucht kein Mensch, war aber so und ich habe auch das überlebt. Im Süden dann der komplett andere Weg. Unser Hotel lag direkt am Strand, kilometerlanger Strand und dennoch Hinterland – hier gab es keine schicke Promenade – hier gab es nur Sand.
Gleich beim ersten Lauf passierte mir das, was wohl jedem Läufer passiert, der noch nie auf Sand unterwegs war. Du meinst du kannst loslaufen aber der Sand stoppt dich mit so einer Wucht, unvermittelt und ohne Ankündigung! Patsch und schon liegst du auf der Nase, besser gesagt mitten im Sand! Kurzer Blick nach rechts und links- ok hat niemand gesehen, aufstehen und weiter geht’s. Ab jetzt etwas bedachter Schritt für Schritt. Es ist verdammt schwer im Sand zu joggen, dafür zählt jeder Kilometer doppelt. Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn die Wellen rauschen, du zwischen Sand, Muschelbergen und Anglern hindurch läufst. Es ist schön mal eine Pause zu machen um deine Fußabtritte im Sand zu hinterlassen, auch wenn die nächste Welle alles wieder verschwinden lässt: diese Art zu Laufen war wirklich nicht einfach – sie war anspruchsvoll und hat dennoch Spaß gemacht.

Nach Sardinien gab es 5 Tage Heimaturlaub in Dresden. Die Büroarbeit war immens aber ich lief weiter. Durch die Dresdner Heide erlebte ich ein neues Stück Heimat und zurück im Büro eine geballte Ladung Energie 🙂

Wir hatten den Monat Mai und damit Hochsaison. Auf ging es, die Toskana ruft! Anreise bis Nähe München und am nächsten Tag weiter bis in das Trentino. Ankommen und Loslaufen. Entlang dem Lago mal wieder eine wunderbare Strecke erlebt. In der Toskana blieb keine Zeit zum Laufen, die Touren waren zu ausgedehnt. Eine Auszeit, die nicht wehgetan hat.

Mittlerweile bin ich wieder auf „Heimaturlaub“ in Dresden. Ich habe immens viele Laufkilometer hinter mich gebracht. Ich werde ganz sicher kein Marathonläufer werden, weil mich die Kilometer des Laufens nicht wirklich interessieren. Ich laufe weil ich dabei den alltäglichen Stress abbauen kann, weil mein Kopf frei wird, weil ich mich persönlich nach jedem Lauf besser fühle und mit diesem Gefühl lassen sich auch die unangenehmen Dinge des Alltags besser bewältigen. P.S. Das gute Körpergefühl durch den Sport möchte ich natürlich nicht unerwähnt lassen 🙂

Büro hin und her, mein Leben ist ein Mix aus aktivem Motorradfahren und Büro. Beide Sachen mag ich und beide Sachen beanspruchen mich. Ich habe den nötigen Freiraum in dem alltäglichen Stress gefunden um das zu sein, was ihr von mir erwartet. 100% perfekter Motorradurlaub für euch und damit verbunden 100% Fahrspaß für uns alle.

Ich werde weiter laufen, für mich und für euch. @ Liebe Gäste:  lauft doch einfach mal mit bei der nächsten Tour! Wer hat Lust darauf?
Ich freue mich auf Euch. Eure Manuela!

12 comments to “Laufe ich mit der Zeit oder läuft die Zeit mit mir?”
12 comments to “Laufe ich mit der Zeit oder läuft die Zeit mit mir?”
  1. Hey cool,
    ich laufe auch gerne und regelmäßig, nur auf den Almoto-Touren eigentlich nicht. Nach dem obligatorischen „Stiefelbier“ ist mir meist nicht danach…
    Aber falls wir mal eine gemeinsame Tour haben, werde ich es mir mal überlegen…
    LG. Uwe

    PS: Schöne Geschichte übrigens!

  2. Lieber Uwe,
    soll ich dir mein Geheimnis verraten? Ich verzichte seit diesem Jahr auf das Stiefelbier und dann ist der Ansporn richtig groß. Es wäre mir eine Freude mit dir gemeinsam zu Laufen, es sind Momente da braucht es keine Worte, der Schatten neben (oder auch hinter) einem reicht aus 🙂 Danke, dass es dich gibt und herzliche Grüße aus Dresden!

  3. … sehr schön geschrieben liebe Manuela… es hat mich berührt, der alte Mann insbesondere. Laufen ist schwer, Hut ab! Lauf weiter, es scheint dir gut zu tun und vielleicht triffst du eines Tages auch einen Forrest, der zurück lächelt und mit dir gemeinsam läuft…. ich wünsche es dir!
    Liebe Grüße aus Wildau… Anni

  4. Schöne Schlüsselerlebnisse, die Dein Leben da berreichern. Es bleibt im Gedächtnis und man sieht manche Dinge in Zukunft mit anderen Augen. Ich würd sagen, das Leben ist schön.

  5. Hey Manu!
    Nette Geschichte.
    Das schöne am Laufen ist, man braucht nur Schuhe und los gehts. Auch wen ich kein Lauffreak bin – vor einigen Jahren habe ich genauso wie Du Schritt für Schritt angefangen. Unbeschreiblich, den Körper mal wieder anders zu spüren und das Beste: Ich passte plötzlich wieder in die alte Lederkombi. 🙂
    Heute, 20Kg mehr auf den Knochen, nach 100 m pfeift das Schw… –> es wird bei mir auch mal wieder „Zeit“.

    Danke für den Ansporn und Dir noch eine tolle Restsaison! 😉

    Sascha

  6. Hallo Manuela,
    Schön dass du einen Ausgleich zu deiner Arbeit gefunden hast. Nicht nur gut für den Körper, sondern vor allem für „Seele und Geist“. Und dass das so ist hast du hier gut beschrieben. Und nur so kann man dabei auch Lächeln. Nach Außen und nach innen. Danke für den Blog!

    • Lieber Bernd,
      das sind wahre Worte und ich freue mich auf die bevorstehende Tour mit dir, deine Ruhe und Ausgeglichenheit ist irgendwie immer magisch 🙂

  7. Hallo liebe Manuela,
    vielen Dank für deine Inspiration!!! Deinen Blog zu lesen passt genau zu meinen aktuellen Umständen (Mauer etc.) ich freue mich schon auf ein Wiedersehen und werde dir von der Umsetzung berichten.
    Mit den besten Wünschen für eine sichere Motorrad-Saison.

    NiCholas

Schreibe einen Kommentar zu Manuela Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert